Darmdysbiose2024-05-09T17:42:25+00:00
Darmdysbiose

Darmdysbiose

Unter einer Darmdysbiose versteht man ein Ungleichgewicht der physiologischen Darmbakterien.

Unser Verdauungstrakt ist Lebensraum für geschätzt 100 Billionen Bakterien sowie zahlreicher anderer Mikroorganismen. Ohne diese Mikroorganismen, man nennt sie auch Intestinale Mikrobiota oder Darmmikrobiom, wäre der Mensch nicht überlebensfähig.

Denn unsere Darmbakterien sind zuständig für

  • den Aufschluss unverdaulicher Nahrungsbestandteile (= Ballaststoffe)
  • die Bildung von Vitaminen, essentiellen Fettsäuren, Aminosäuren und Hormonen. (Beachtenswert ist, dass im Darm ebenso viele Hormone produziert werden wie in den Hormondrüsen des Gehirns!)
  • die Abhaltung von Fremdkeimen
  • das Trainieren des Immunsystems. (Das Immunsystem befindet sich zum größten Teil im Darm, denn rund 80% aller antikörperproduzierenden Zellen sitzen in der Darmwand.)
  • die Versorgung der Darmschleimhaut mit Energie

Diese Bakterien stellen ein mikrobielles Ökosystem dar. Sie stehen in einem ständigen Kontakt zueinander und mit dem gesamten Organismus des Menschen.

Bei einer Darmdysbiose sind die gesundheitsfördernden Bakterien meistens verringert oder teilweise gar nicht mehr vorhanden. Die sogenannte Diversität (= Vielfalt der Darmbakterien), die für eine ausreichende Versorgung der Darmschleimhaut und damit der Gesundheit des Organismus von entscheidender Bedeutung ist, ist reduziert.
Das hat zur Folge, dass sich immer mehr „schädliche“ Darmbakterien und Pilze ausbreiten können.

Ursachen einer Darmdysbiose

Ganz allgemein wird das Darmmikrobiom der meisten in westlichen Industrieländern lebenden Menschen immer artenärmer. Dabei ist ein artenreicher Darm ein bestimmender Faktor unserer (Darm)Gesundheit. Nur indigene Völker, die nach wie vor naturverbunden leben, weisen in ihrem Darm eine hohe Anzahl unterschiedlicher Bakterienstämme auf. So haben z.B. Stuhlproben der in Südamerika lebenden Yanomami ergeben, dass ein Stammesangehöriger dieser Volksgruppe ca. doppelt so viele Bakterienstämme im Darm trägt wie ein Mensch unserer westlichen Gesellschaft.

Dieser Artenverlust bei in Industrienationen lebenden Menschen ist größtenteils auf die moderne Ernährung zurückzuführen, die zu viel Eiweiß und Fett, zu wenig Ballaststoffe, zu wenig Pflanzeninhaltsstoffe und zu viel Chemie enthält. So schädigen zum Beispiel manche Konservierungsstoffe, die Fertigprodukten beigefügt werden, um das Bakterienwachstum zu hemmen, leider auch die gesundheitsförderlichen Darmbakterien. Das gleiche gilt für künstliche Aromen, Zuckeraustauschstoffe, Emulgatoren und Toxine durch Spritzmittel.

Aber auch ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus und Stress verhindern die Entwicklung eines gesunden, stabilen Mikrobioms mit hoher Diversität.

Ein weiteres großes Problem sind antibiotische Medikamente, die zu häufig und ohne schützende Maßnahmen verschrieben werden. Während und nach einer Antibiotika-Therapie sollte deshalb immer mit Probiotika gegengesteuert werden, denn Antibiotika können zu ausgeprägten und manchmal auch jahrelangen Veränderungen der Darmflora führen.

Die schädigende Wirkung von Antibiotika ist mittlerweile hinreichend bekannt. Fast unbekannt und wenig beachtet wird jedoch, dass auch viele andere Medikamente wie Entzündungshemmer, Psychopharmaka, Östrogene, Marcumar, Kalzium-Kanal-Blocker (= Blutdrucksenker) und vor allem Protonenpumpenhemmer (= Magensäureblocker) eine Darmdysbiose bewirken.

Allerdings beginnt der Schwund der Artenvielfalt schon viel früher. Vor der Geburt befindet sich der Säugling in der weitgehend keimfreien Gebärmutter. Aber bereits bei der Geburt des Menschenkindes werden die ersten Weichen für die zukünftige Bakteriengemeinschaft gestellt. Denn auf normalem Weg geborene Babys schlucken beim Durchtritt durch den Geburtskanal mütterliche Scheiden- und Darmkeime, die für den Aufbau der kindlichen Darmflora und eines gesunden Immunsystems unentbehrlich sind. Diese „Bakterienimpfung“ findet bei einer Kaiserschnittgeburt jedoch nicht statt und die Basis für ein schwaches Immunsystem für ein durch einen Kaiserschnitt geborenes Kind, ist schon mal gelegt. Im späteren Leben erhöht sich durch dieses schwache Immunsystem das Risiko an Neurodermitis, Allergien oder Autoimmunerkrankungen zu erkranken. Potenziert wird das Ganze noch durch künstliche Säuglingsnahrung, wenn das Baby  nicht gestillt wird.

Auch die Kindheit ist bei vielen Kindern, vor allem Kindern, die in Städten aufwachsen, nicht mehr förderlich für die Entwicklung eines gesunden Mikrobioms. Kinder verbringen immer weniger Zeit in der Natur und kommen mit Erde, Pflanzen und Schmutz kaum noch in Kontakt. Eine fatale Entwicklung – nicht nur für eine artenreiche Darmflora – ist auch der heutige übermäßige Gebrauch von Smartphones. Anstatt realer sozialer Kontakte, bei denen die Chance zum „Bakterienaustausch“ bestehen würde, trifft man sich auf Social Media Plattformen und in virtuellen Welten. Und damit geht auch der Artenreichtum im Darm zurück. Diese Tatsache bestätigte sich ganz augenscheinlich in den zwei Jahren nach der Corona Pandemie. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen und der Maskenpflicht während der Pandemie kam es vor allem im Winter 2022/2023 zu derart hohen Infektionszahlen unter unseren Kindern, dass die Kinderkliniken katastrophal überlastet waren.

Weitere Ursachen, die die Darmflora aus dem Gleichgewicht bringen und zu einer Darmdysbiose führen, sind Verdauungsstörungen und Darmerkrankungen. Dazu gehören:

Symptome einer Darmdysbiose

Symptome einer Darmdysbiose sind

  • Verdauungsbeschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen (typische Reizdarmbeschwerden)
  • Hautunreinheiten
  • Schlafstörungen
  • Anfälligkeit für Erkältungen
  • Anfälligkeit für Nebenhöhlen- und Blasenerkrankungen

Eine Dysbiose des Darmmikrobioms ist – wie zahlreiche Studien belegen – mit verschiedenen Erkrankungen assoziiert. Ganz allgemein steigt das Risiko für

  • Übergewicht (Bei durch einen Kaiserschnitt geborenen Kindern ist das Risiko später an Übergewicht zu leiden, um 3% höher)
  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Allergien
  • Autoimmunerkrankungen
  • Depressionen, Ängste, geringe Stressresistenz
  • Neurologische Erkrankungen
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen

Bei einer Darmdysbiose sind die gesundheitsfördernden Darmbakterien verringert, was dazu führt, dass sich immer mehr Mikroorganismen, wie z.B. LPS-Keime wie Escherichia spp., Klebsiella spp., Pseudomonas spp. oder Darmpilze ausbreiten können.
Nach dem Absterben dieser LPS-Keime, die nicht zur physiologischen Darmflora gehören bzw. bei einer intakten Darmflora nur in geringer Zahl vorhanden sind, gelangen Teile dieser Bakterien (Endotoxine) in den Blutkreislauf. Wenn der Endotoxin-Gehalt so hoch ansteigt, dass die Leber nicht mehr in der Lage ist diese Gifte abzubauen, führt dies zu Erschöpfung, Muskelschmerzen, migräneartigen Kopfschmerzen, Heißhunger-Attacken und Konzentrationsschwächen.

Des Weiteren können diese LPS-Keime chronische Entzündungsprozesse im Organismus entfachen. Chronische Entzündungen (Silent Inflammations) können zu Erkrankungen wie Psoriasis oder Rheumatoider Arthritis führen.

Von großer Bedeutung sind außerdem die Veränderungen der mikrobiellen Darmflora im Hinblick auf Lebererkrankungen wie z.B. die nichtalkoholische Fettleber.

Zusammensetzung des Darmmikrobioms

Ein gesundes Darmmikrobiom besteht aus ca. 1000 verschiedenen Spezies. Diese haben ein Gesamtgewicht von 1000g – 1500g, das jeder von uns in seinem Bauch trägt.

Diese Spezies gehören zu verschiedenen Bakterienstämmen. Die größten Bakterienstämme der Darmmikrobiota sind

  • Firmicutes (60 – 80%)
  • Bacteroidetes (15 – 30%)
  • Actinobacteria (2 – 10%)
  • Proteobacteria (1 – 2%)

Gesundheitsförderliche Darmbakterien und wie man diese erhöht

 Nachfolgend finden Sie eine Auflistung von bestimmten Bakteriengruppen, die sehr wichtig für Ihr Darmgesundheit sind:

Säuerungsbakterien

Die wichtigsten Säuerungsbakterien heißen Bifidobakterien, Laktobazillen und Enterokokken. Diese Bakterien säuern den Stuhl an und sorgen so für einen niedrigen pH-Wert. Damit hemmen sie die Ausbreitung pathogener Keime und Darmpilze. Säuerungsbakterien sind wichtig für ein intaktes Immunsystem und um eine träge Verdauung wieder in Schwung zu bringen.
Um diese „guten“ Darmbakterien“ zu erhöhen, kann man Probiotika einnehmen. Es gibt zahlreiche Produkte am Markt. Wählen Sie ein Probiotikum, welches viele unterschiedliche Bakterienstämme mit hoher Keimzahl sowie Präbiotika enthält.
Um die Säuerungsflora jedoch dauerhaft zu erhöhen, muss man unbedingt seine Ernährung umstellen: Essen Sie verstärkt Ballaststoffe wie Vollkorngetreide sowie vergorene, nicht wärmebehandelte Milchprodukte (Kefir, Buttermilch, Joghurt) und beschränken Sie Ihren Fett- und Eiweißverzehr.

Butyratbildende Bakterien

Dazu gehören Eubacterium-Arten, Ruminococcus-Arten, Roseburia-Arten, Butyrivibrio crossotus und vor allem der Keim Faecalibacterium prausnitzii. Diese Keime versorgen die Darmschleimhaut mit Buttersäure (Butyrat), denn ohne Buttersäure würden die Darmzellen verkümmern. Butyratbildende Bakterien verhindern Entzündungen der Darmschleimhaut sowie einen Leaky Gut (= erhöhte Durchlässigkeit des Darms).
Butyratbildende Bakterien kann man leider nicht als Probiotika zu sich nehmen, aber man kann sie „anfüttern“. Versuchen Sie bei einem Mangel an diesen Bakterien täglich resistente Stärke zu sich zu nehmen. Resistente Stärke ist vor allem enthalten in ausgekühlten gegarten Kartoffeln und Reis, in Pumpernickel, in Haferflocken, in schwarzen Bohnen und in Cashew-Nüssen. Auch eine mediterrane Ernährung fördert die Butyratbildung, während eine proteinreiche Low-Carb-Ernährung das Gegenteil bewirkt.

Mucinspaltende Bakterien

Zu den mucinspaltenden Bakterien zählen Akkermansia muciniphila und Prevotella. Akkermansia muciniphila ist wie das Faecalibacterium prausnitzii einer der wichtigsten Keime zur Verhinderung einer Darmschleimhautentzündung und eines Leaky Guts. Es senkt außerdem das Risiko für Übergewicht, Diabetes, Allergien und Neurodermitis. Bei den meisten Menschen, die unter einer Chronisch Entzündlichen Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa leiden, sind genau diese beiden Keime nicht mehr vorhanden. Mucinspaltende Bakterien regenerieren die Schleimschicht (Mucinschicht), die die Darmschleimhautzellen überzieht und sorgen dadurch für eine starke Darmbarriere.
Akkermancia muciniphila füttert man an durch den Verzehr von resistenter Stärke (z.B. Kartoffelsalat, Reissalat), Inulin (z.B. in Chicoree, Topinambur, Pastinaken, Schwarzwurzeln), getrockneten Cranberries, Trauben und Omega-3-Fettsäuren.

Propionatbildende Bakterien

Propionatbildende Bakterien sind Veillonella, Bacteroides fragilis, Propionibacterium, Lachnospiraceae, Peptostreptococcus, Prevotella, Clostridien und Akkermansia muciniphila. Sie regulieren den Appetit und damit das Körpergewicht und den Zuckerstoffwechsel. Außerdem modulieren Sie das Immunsystem und senken das Risiko an Asthma zu erkranken.
Um den Propionatspiegel zu erhöhen, muss man auf eine ausreichende Ballaststoffzufuhr achten. Vor allem Inulin, ein Präbiotikum, das in Chicorée, Spargel, Lauch, Topinambur oder Pastinaken vorkommt, kann besonders gut in Propionat umgewandelt werden und erhöht die propionatbildenden Bakterien. Propionsäure entsteht auch beim Ausdauersport durch Bakterien, die Milchsäure in Propionsäure umwandeln.

Neuroaktive Mikrobiota

Zur neuroaktiven Mikrobiota gehören Bifidobacterium adolescentis, Bifidobacterium dentium, Lactobacillus brevis, Lactobacillus plantarum und Lactobacillus paracasei. Dies sind Bakterien, die positiv auf das Nervensystem einwirken, weil sie Nervenbotenstoffe oder Vorstufen davon bilden. Dadurch können Sie Einfluss auf unsere Psyche nehmen und z.B. Depressionen, Stressbelastungen oder Ängste lindern. Ein gesundes Mikrobiom sorgt für Entspannung und Wohlbefinden.
Um die Neuroaktive Mikrobiota, die zur Säuerungsflora gehört, wieder zu erhöhen, sollten Sie verstärkt präbiotische Ballaststoffe, komplexe Kohlehydrate und vergorene, nicht wärmebehandelte Milchprodukte verzehren.

Feststellung einer Darmdysbiose

Eine Darmdysbiose wird durch eine Stuhlprobe festgestellt. Dabei ist aber Folgendes zu beachten: Fast 99% der Darmbakterien sind anaerob, d.h. sie reagieren empfindlich auf Sauerstoff. Das macht die herkömmlichen Stuhlflora-Analysen etwas ungenau, denn wenn der Patient zuhause während des Tests seinen Stuhl ins Labor-Röhrchen gibt, geht ein Teil der Bakterien kaputt.
Jedoch bieten Speziallabore seit ein paar Jahren metagenomische Stuhlanalysen zur Erkennung von Dysbiosen an, welche die molekulargenetische Analyse des gesamten bakteriellen intestinalen Mikrobioms umfassen.
Das hat den Vorteil, dass anaerobe Bakterien nicht mehr kaputt gehen. Außerdem können viel mehr verschiedene Darmbakterien analysiert werden. Mittels Next-Generation-Sequencing können die Auswirkungen der individuellen hochkomplexen Mikrobiota auf die Kolonisationsresistenz, Verdauungsprozesse, Absorption von Nährstoffen und Vitaminen wie auch auf die Immunität präziser beurteilt werden. In diesem molekularbiologischen Testverfahren werden auch anaerobe Bakterien erfasst, die sich nicht kulturell anzüchten lassen.