Histaminintoleranz2024-09-10T18:31:54+00:00
Darmdysbiose

Histaminintoleranz

Histaminintoleranz gehört zu den nicht-immunologischen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten. Das bedeutet, das Immunsystem spielt bei dieser Unverträglichkeit keine Rolle.
Histaminintoleranz ist sehr facettenreich. Sie liegt dann vor, wenn im Organismus ein Missverhältnis zwischen Histaminanflutung bzw. -bildung und dessen Abbau besteht.

Jeder Mensch produziert Histamin. Es wird aus der Aminosäure Histidin in  den Zellen der Oberhaut, Zellen der Magenschleimhaut, Zellen der Lunge, in Nervenzellen und in Endothel- und Epithelzellen der Gebärmutter und der Eierstöcke gebildet. Es wird zusammen mit Heparin  in Vesikeln gespeichert, von wo aus es bei Bedarf freigesetzt wird und an Histaminrezeptoren im Gewebe binden kann.

Histamin – Aufgaben und Wirkungen im Körper

  1. Histamin ist ein Neurotransmitter (= Botenstoff)
    Es erhöht die Aktivität der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt, in der Gebärmutter und in den Bronchien. Bei einem Überangebot an Histamin im Körper kann es deshalb zu Darmkrämpfen, Menstruationskrämpfen und Asthma kommen. Histamin lässt ferner Übelkeit empfinden und ist an der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt.
  2. Histamin ist ein Entzündungsmediator (= ein von Entzündungszellen abgegebener Botenstoff, der das Entzündungsgeschehen kontrolliert und verstärkt).
    Bei einer Entzündung werden aus Mastzellen und Basophilen Granulozyten Histamin freigesetzt. Dadurch wird die Durchlässigkeit der Kapillaren erhöht, damit die Immunzellen aus den Gefäßen ins Gewebe gelangen können. Da sich die Durchblutung der Kapillaren ebenfalls erhöht, erwärmt sich das entzündete Gewebe und wird rot.
    Von dieser Entzündungsfunktion des Histamins kann man Symptome ableiten, die bei einer Histaminintoleranz auftreten:
    – Kopfschmerzen/Migräne
    – Rötung/Flush (= Gesichtsröte)
    – Ödeme
    – Urtikaria (= Nesselsucht)
    – Asthma
    – geschwollene Schleimhäute
  3. Histamin hat eine hormonelle Wirkung am Magen
    Wenn Histamin die H2-Rezeptoren der Belegzellen des Magens besetzt, wird die Salzsäure-Bildung gefördert. Da Alkohol Histamin freisetzt und die histaminabbauende Wirkung des Enzyms DAO blockiert, führt Wein- oder Sektgenuss bei manchen Menschen zu einem übersäuerten Magen. -> Eine Histaminintoleranz kann somit auch zu einer Hyperazidität des Magens mit Sodbrennen, Reizhusten sowie einer Gastritis führen.
  4. Histamin hat eine cardiotrope (= am Herzen wirkende) Wirkung
    Es steigert die Schlagkraft und die Kontraktionskraft des Herzens. Durch eine Histaminanflutung kann es zu einer Herzfrequenz-Steigerung und einer Blutdruckabsenkung kommen.
    So kann es nach einer histaminreichen Abendmahlzeit nachts zu einem erhöhten Pulsschlag und zu leichtem Schwindel kommen.

Histaminintoleranz – Symptome

Nachstehend typische Symptome, die bei einer Histaminintoleranz auftreten können:

  • Flush (= Gesichtsröte) kurz nach dem Essen und später Kopfschmerzen
  • Migräne nach Alkoholgenuss
  • Laufende/verstopfte Nase nach dem Essen
  • Unterlidschwellungen ohne Alkoholkonsum
  • Tachykardie (= Herzrasen) nach dem Essen -> Schwäche/Schwindel, Blutdruckabfall
  • Diarrhoe und abdominelle Krämpfe
  • Juckreiz
  • Rezidivierende Urtikaria (= Nesselsucht)
  • Asthma, Bronchospasmus
  • Übelkeit, Erbrechen
  • erhöhte Magensäureproduktion -> Sodbrennen
  • Unverträglichkeit gegenüber Kontrastmitteln
  • Starkes Unwohlsein nach Vollnarkose
  • Unverträglichkeit gegenüber Glutamat (-> DAO-Hemmung)
  • Unverträglichkeit gegenüber Schmerzmitteln
  • Unverträglichkeit gegenüber Histaminliberatoren (= Nahrungsmittel und Medikamente, die Histamin freisetzen)
  • Schmerzhafte Regelblutung und zyklusabhängige Kopfschmerzen (80% aller Histaminintoleranz-Patienten sind Frauen) 

Histaminintoleranz – Ursachen

Die Ursache einer Histaminintoleranz ist  immer ein Ungleichgewicht zwischen Histaminanflutung bzw. -bildung und Histaminabbau. Es gibt viele Faktoren, die zu einer erhöhten Histaminbildung im Körper und/oder dessem reduzierten Abbau führen können:

  1. Verzehr von histaminreichen Lebensmitteln:
    Histamin wird bei der Lagerung, Reifung und beim Verderb von Lebensmitteln durch mikrobielle Stoffwechselaktivitäten gebildet. Hohe Werte treten oft bei lange gereiften oder lange gelagerten Lebensmitteln auf: Fleischkonserven, Fischkonserven, Salami, lange gereifter Käse, Sauerkraut, Essig oder Wein.
  2. Verzehr von Histaminliberatoren:
    Manche Lebensmittel enthalten nur wenig Histamin, wirken aber als Histaminliberatoren, indem sie gespeichertes Histamin aus Mastzellen freisetzen und auf diese Weise pseudoallergische Reaktionen provozieren, z.B. Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Tomaten.
  3. Vermehrung histaminbildender Fäulniskeime:
    Bei einer Vermehrung histaminbildender Fäulniskeime im Dickdarm wie Escherichia coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Hafnia alvei, Citrobacter spp. kann es zu einer erhöhten intestinalen Histamin-Freisetzung kommen.
  4. Exokrine Pankreasinsuffizienz und andere Maldigestionsprozesse:
    Bei einer exokrinen Pankreasinsuffizienz wird das Nahrungseiweiß nicht mehr richtig gespalten und verbleibt im Darmlumen. Dieses unverdaute Eiweiß ist Substrat für Fäulniskeime, die sich daraufhin vermehren und übermäßig Histamin bilden und freisetzen.
  5. Ständiges „Überessen“ oder Essen von zu vielen tierischen Produkten
  6. Chronische Entzündungsprozesse:
    Chronische Entzündungsprozesse führen zu einer Freisetzung von Histamin durch die Immunzellen
  7. Immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeiten:
    Immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen zu einer Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen aus den Mastzellen, z.B. TNF-α oder Histamin.
  8. DAO-Mangel:
    Defizit am histaminabbauenden Enzym Diaminoxidase (DAO)
  9. HNMT-Mangel:
    Defizit am histaminabbauenden Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT)
  10. Mangel an Co-Faktoren:
    Bei einem Mangel an Co-Faktoren (Mikronährstoffen) wie Vitamin B6, Kupfer und Zink kann nicht ausreichend Diaminoxidase (DAO) gebildet werden. Diaminoxidase ist das Enzym, das am wichtigsten für den Histaminabbau ist.
  11. Einnahme DAO-hemmender Medikamente:
    Antibiotika, Blutdrucksenker, Antirheumatika, Chemotherapeutika, Diuretika, Muskelrelaxantien, Röntgenkontrastmittel, Narkotika, Schleimlöser, Schmerzmittel und trizyklische Antidepressiva hemmen die DAO-Bildung.
  12. Übermäßiger Alkoholgenuss:
    Alkohol ist ein Histaminliberator.
  13. Östrogendominanz:
    Das Hormon Progesteron stabilisiert die Mastzellen und induziert das histaminabbauende Enzym Diaminoxidase (DAO). Bei einer Östrogendominanz steht dem weiblichen Körper zu wenig Progesteron zur Verfügung.
  14. Zu viele biogene Amine:
    Das Enzym Diaminoxidase (DAO) baut neben Histamin auch andere biogene Amine ab. Wenn in der Nahrung zu viele anderweitige DAO-abhängige biogene Amine wie Tyramin, Phenylethylamin und Serotonin vorhanden sind, bleibt für den Abbau des Histamins evtl. nicht genug übrig.
  15. Darmprobleme:
    Eine Darmdysbiose, eine Darmschleimhautentzündung und ein Leaky Gut führen zu einer Erhöhung der histaminproduzierenden Fäulnisbakterien. Bei einer Darmschleimhautentzündung sterben z.B. ständig Epithelzellen ab, was zu einer Eiweißanflutung führt = Substrat für die Fäulnisflora

Histaminintoleranz – Diagnostik

Meist wird bei Verdacht auf Histaminintoleranz nur eine Diaminoxidase-Bestimmung im Blutserum gemacht, weil Diaminoxidase (DAO) das Enzym ist, was das Histamin hauptsächlich abbaut.
Da ein Mangel an DAO aber nicht die einzige Ursache für eine Histaminintoleranz ist (-> siehe weiter oben unter Ursachen), ist dies keinesfalls ausreichend. Weder wird damit das andere histaminabbauende Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) berücksichtigt, noch wird untersucht, wie viel Histamin überhaupt im Körper gebildet wird.

In meiner Praxis in München wird deshalb ein Test gemacht, der im Urin das Gesamthistamin und zugleich die Höhe der Enzyme DAO und HNMT misst, und außerdem die Enzymaktivität mit dem im Körper vorhandenen Histamin vergleicht. Dieser Test hat eine wesentlich höhere Aussagekraft als der „Standardtest“.

Des Weiteren ist es manchmal sinnvoll auch Hormone im Speichel sowie die Mikronährstoffe Vitamin B6, Kupfer und Zink im Vollblut zu messen.

Histaminintoleranz – Therapie in München

Eine durch einen Urintest festgestellte Histaminintoleranz wird in meiner Münchener Praxis folgendermaßen behandelt (natürlich in Abhängigkeit von der jeweiligen Ursache. Nicht alle Maßnahmen gleichzeitig):

  • Zur Erhöhung der DAO-Aktivität B6, Zink, Kupfer substituieren
  • Zur Erhöhung der HNMT-Aktivität: S-Adenosylmethionin substituieren
  • Darmsanierung, v.a. bei
    – einer Vermehrung der intestinalen Fäulnisflora
    – einer Darmschleimhautentzündung
    – einem Leaky Gut
    – einer Pankreas-Insuffizienz
  • Therapie der immunologischen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
  • Gegebenenfalls natürliches Calcium aus fossilen Meereskorallen, um die Mastzellen zu stabilisieren
  • Gegebenenfalls Vitamin-C-Hochdosis-Infusionen zur Beschleunigung des Histaminabbaus
  • Gegebenenfalls Mangan und/oder Methionin zur Beschleunigung des Histaminabbaus
  • Medikamente weglassen/anpassen (v.a. kritisch sind entzündungshemmende Schmerzmittel mit den Substanzen Mefenaminsäure oder Diclofenac oder Acetylcystein oder Metamizol (z.B. Voltaren, ACC, Novalgin, Buscopan)
  • Hormontherapie
  • Ernährungsberatung
  • Und anderes…

Histaminhaltige Lebensmittel und Histaminliberatoren

Histamin befindet sich v.a. in mikrobiell hergestellten Lebensmitteln (wie Sauerkraut, Wein, Bier, Käse und fermentierten Lebensmitteln) und in Fleisch und Fisch, das/der länger gelagert wurde.
Bitte beachten: Wenn man z.B. mittags den Fisch raus legt und ihn abends zubereitet, wurde bereits viel Histamin gebildet! Dieses ist hitzestabil, d.h. es geht beim Kochen nicht kaputt! Vorsicht auch vor der Thunfisch-Pizza! Sie führt manchmal sogar bei Menschen zu Symptomen, die nicht histaminintolerant sind.
Folgende Nahrungsmittel sollten bei einer Histaminintoleranz weggelassen werden – zumindest für einige Wochen. Nach einer gewissen Karenzzeit kann man langsam wieder versuchen, die Nahrungsmittel einzubauen. Es sollte versucht werden die individuelle Histaminverträglichkeit festzustellen:

– Alkoholische Getränke, Energydrinks
– Fischkonserven; marinierte, getrocknete, geräucherte oder in Essig eingelegte Fische/Meeresfrüchte
– Thunfisch, Makrele, Hering, Sardellen, Sardinen, Rollmops, Muscheln, Krabben
– Hartkäse, reifer Camembert, lang gereifter Käse, schimmelgereifter Käse
– Fleischkonserven; gepökeltes, geräuchertes Fleisch; Schinken, Speck; fast alle Wurstwaren, v.a. Salami; stark zerkleinertes Fleisch (Brotaufstriche, Aufschnitt)
– Spinat, Tomaten inkl. Ketchup, Auberginen, Avocado, Oliven
– Sauerkraut
– Steinpilze, Morcheln, Champignons
– Hülsenfrüchte
– Sojaprodukte
– Sauer eingelegtes Gemüse
– Erdbeeren, Himbeeren, Zitrusfrüchte, Bananen, Ananas, Kiwi, Birnen, Papaya, Guave
– Frische, warme Backwaren
– Fast alle Nüsse, insbesondere Walnüsse
– Fast alle Essigsorten
– Hefeextrakt, Geschmacksverstärker, Brühe, Sojasoße
– Kakao, Schokolade, Lakritz, Nougat, Marzipan
– Scharf gewürzte Speisen
– Schwarzer Tee, Brennesseltee
– Zusatzstoffe (Glutamat, Farbstoffe, Nitrite, Sulfate)

Histaminarme Lebensmittel

– Frisches Fleisch, tiefgekühltes Fleisch (schnell auftauen!)
– Tiefgefrorener Fisch (schnell auftauen!), fangfrischer Fisch
– Haltbare Milch (H-Milch), pasteurisierte Milch
– Butter, Sahne, Molke
– Frischkäse: Mozzarella, Quark, Hüttenkäse, Mascarpone, Ziegenfrischkäse, Ricotta
– Junger Käse, Butterkäse, unreifer Camembert
– Eier
– Alle Gemüsesorten, außer denen, die unter „histaminhaltige Lebensmittel“ stehen
– Kirschen, Apfel, Pfirsich, Melonen, Aprikosen, Mangos, Brombeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Cranberries
– Kartoffeln, Mais, Reis und jegliche Verarbeitungsform davon (Mehl, Backwaren, Saucen)
– Knäckebrot, hefefreies Brot, Reiswaffeln
– Butter, Ghee
– Rapsöl, Olivenöl, Leinöl, Sonnenblumenöl, Kokosöl
– Nüsse: Kokosnuss, Kokosmilch, Kokoswasser, Macadamianüsse, Esskastanie
– Küchenkräuter und milde Gewürze
– Salz, Knoblauch
– Essig: Apfelessig
– Bindemittel wie Maisstärke oder Kartoffelstärke
– Kräutertee, Rooibostee, Kaffee
– Säfte, Fruchtnektare und Limonaden aus verträglichen Zutaten
– Mandelmilch
– Zucker, Honig, Stevia, Agavendicksaft